Sehr geehrte Damen und Herren,

Welche sozialen und kontextuellen Faktoren beeinflussen das SARS-CoV-2-Infektionsrisiko und den COVID-19-Krankheitsverlauf? Dieser Frage widmen wir uns in dieser ersten Newsletter-Ausgabe. Zudem stellen wir aktuelle Publikationen und Berichte zu diesem Themengebiet vor.

Herzlich willkommen zur ersten Newsletter-Ausgabe des MethodCOV-Newsletters, der Sie rasch und komprimiert in sich schnell veränderndem Umfeld informieren soll!

Das SARS-CoV-2-Infektionsrisiko und der COVID-19-Krankheitsverlauf hängenvon einer Reihe verschiedener Faktoren ab. Das Alter der Betroffenen, mögliche Vorerkrankungen aber auch der Beruf, die Lebensumstände und die Gesundheitsversorgung können dies beeinflussen. All diese Faktoren sind Gegenstand des Forschungsnetzwerks MethodCOV.

MethodCOV ist eines der 13 Projekte des Nationalen Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) und unterstützt COVID-19-Forschungsprojekte, die soziale, kontextuelle und kulturspezifische Faktoren untersuchen oder ihre Forschung um diese Faktoren erweitern möchten. In sechs thematischen Arbeitsgruppen arbeiten Expertinnen und Experten aus 24 Universitätskliniken zusammen (Sprecher: Dr. Hanno Hoven UK Düsseldorf). Es werden standardisierte Best Practice-Erhebungsinstrumente entwickelt, die modular aufgebaut sind und es erlauben, soziale und kontextuelle Daten valide, aufwandsarm und zwischen verschiedensten Projekten vergleichbar zu erfassen.

Arbeitsgruppen des Forschungsnetzwerks MethodCOV
Die Arbeitsgruppen des Forschungsnetzwerks MethodCOV im Überblick

Die Best Practice-Erhebungsinstrumente werden auf Nachfrage über unsere Webseite (www.methodcov.de)oder per E-Mail an Siona Decke (methodcov@hhu.de) für alle Forschungsprojekte zur Verfügung gestellt.

Welche Faktoren beeinflussen das Infektions- und Erkrankungsrisiko und wie werden diese erhoben?

Fragebogen Soziodemographie

Wie viele Personen leben im Haushalt? Handelt es sich um ein Ein-Familienhaus oder ein Hochhaus mit 9 oder mehr Stockwerken? Hat der Haushalt ein geregeltes Ein- und Auskommen? Dies sind einige Fragen aus dem Best Practice-Fragebogen „Soziodemographie“. Soziodemographische Merkmale sind sowohl mit SARS-CoV-2-Infektionen als auch mit der Schwere und dem Verlauf einer COVID-19-Erkrankung assoziiert. Waren zu Beginn der Pandemie oft weniger deprivierte Gesellschaftsgruppen mit höherer Mobilität (z.B. Urlaub, Skireisen, (Karnevals-)Feiern) von Infektionen betroffen, verschob sich die Betroffenheit zunehmend zu Ungunsten sozioökonomisch benachteiligter Gruppen, wie Studien für Deutschland und im internationalen Vergleich zeigen (1, 2). Die Studien zeigen eine höhere Inzidenz, Hospitalisierungswahrscheinlichkeit und Mortalität bei hoher Deprivation, eine höhere Mortalität bei hoher Armut und eine höhere Inzidenz bei geringer Bildung und beengten Wohnverhältnissen. Langzeitarbeitslose Menschen wiesen ein fast doppelt so hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf mit Krankenhausaufenthalt auf (3).

Sprecher der AG Soziodemographie: Prof. N. Dragano

Fragebogen Berufliche Faktoren

Beschäftigte der medizinischen Versorgung haben ein hohes Infektionsrisiko. Sie arbeiten zudem in pandemischen Notfallsituationen oft über das normale Maß hinaus bis zur Erschöpfung und brauchen zum Erhalt ihrer Gesundheit besondere Unterstützung (4). Die berufliche Exposition und das persönliche Infektionsrisiko am Arbeitsplatz sind Forschungsschwerpunkt der AG Berufliche Faktoren. Die AG entwickelt Fragebögen z. B. dazu, wie nah die Menschen bei ihrer täglichen Arbeit anderen Personen kommen, die keine Maske tragen und wie groß bzw. gering der Abstand ist.

Sprecher der AG Berufliche Faktoren: Prof. P. Angerer

Fragebogen Umweltfaktoren

Erste Studien zeigen einen unerwartet starken Zusammenhang zwischen einer chronischen Belastung durch Stickstoffdioxid und Feinstaub mit der COVID-19-Mortalität (6, 7). Wie wird in der Wohnung gekocht oder geheizt (Gas/Kohle, etc.). Kommt es zu Staubildung in Hauptverkehrszeiten an der Straße des Wohnortes? In der AG Umweltfaktoren werden Methoden entwickelt um eine genaue Erhebung der Belastungssituation gegenüber Luftverschmutzung und anderen Umweltexpositionen wie zum Beispiel Lärm, Temperaturschwankungen oder Allergenexpositionen vor bzw. während der Erkrankung durchzuführen, um so den Einfluss von Umweltfaktoren auf die Erkrankungswahrscheinlichkeit und Schwere zu untersuchen.

Sprecherin der AG Umweltfaktoren: Prof. B. Hoffmann

Fragebogen-Tool Versorgungsbezogene Faktoren

Seit Beginn der Pandemie hat weltweit die Prävalenz von Angst, Stress und Depression um ein Vielfaches zugenommen (7-9). Die aktuelle Studienlage legt zudem eine Assoziation zwischen psychischen Belastungen und COVID-19 nahe (10-12). Es ist denkbar, dass sich die während der COVID-19-Pandemie getroffenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens unterschiedlich auf die Lebensqualität und die psychische Gesundheit bestimmter Personengruppen auswirken oder an COVID-19-Erkrankte ein erhöhtes Risiko haben eine psychische Störung zu entwickeln (13, 14). Angebote gesundheitlicher Versorgung haben sich in der Zeit der COVID-19-Pandemie verändert, mit potentiellen Auswirkungen v.a. für vulnerable Gruppen und Menschen mit chronischen Erkrankungen (15). Die Arbeitsgruppe Versorgungsbezogene Faktoren stellt Instrumente zusammen, um patientenrelevante Maße sowie die Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen vor dem COVID-19-bedingten stationären Aufenthalt zu erfassen.

Sprecherin und Sprecher der AG Versorgungsbezogene Faktoren: Prof. A. Icks und Prof. S. Wilm

Leitlinien Geschichte & Ethik der Medizin

Ein Verständnis der historischen, ethischen und kulturellen Faktoren, die den Umgang mit der Pandemie beeinflussen, kann dazu beitragen, Handlungsoptionen zu erkennen, aber auch das Handeln von Individuen und Gesellschaften zu verstehen (16). In der AG Geschichte und Ethik der Medizin werden im Netzwerk Orientierungswissen und Leitlinien zur Verfügung gestellt.

Sprecher der AG Geschichte und Ethik der Medizin: Prof. H. Fangerau

Externe Methodenkompetenz Public Health

MethodCOV arbeitet eng mit dem interdisziplinären Kompetenznetz Public Health Covid-19 zusammen (Für eine Aufstellung der neuesten Publikationen siehe unten). Im Kompetenznetz sind mehr als 25 Fachgesellschaften aus dem Bereich Public Health zusammengeschlossen, um die jeweilige methodische, epidemiologische, statistische, sozialwissenschaftliche, ethische und (bevölkerungs-) medizinische Fachkenntnis bündeln. In dem Netzwerk sind mehrere hundert Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vertreten. Ziel ist es, den fachübergreifenden Austausch zu fördern und eine organisatorische Vernetzung zu schaffen, die bei zukünftigen Pandemien schnell aktiviert werden kann.

Sprecher der AG Externe Methodenkompetenz Public Health: Prof. C. Apfelbacher

Kontakt

Wenn Sie Unterstützung für Ihr Forschungsprojekt benötigen, an den Best Practice-Fragebögen interessiert sind, oder weitere Informationen benötigen, dann besuchen Sie uns auf unserer Webseite (www.methodcov.de) oder schreiben Sie eine E-Mail an Siona Decke (methodcov@hhu.de).

Was gibt es Neues?

FOSA Epidemiologie und Public Health

MethodCOV beteiligt sich an der Fach- und Organspezifischen Arbeitsgruppe (FOSA) “Epidemiologie und Public Health“. Die Sprecherinnen sind Prof. Eva Grill UK München und Prof. Heike Bickeböller, UK Göttingen, die als Bindeglied zu dem Nationalen Pandemie Kohorten Netz (NAPKON) fungieren. MethodCOV kommentierte den German Corona Consensus-Datensatz (GECCOplus) und schlug ein Set an Fragen zu den wichtigsten sozialen und kontextuellen Faktoren vor. NAPKON sammelt mit Hilfe von drei Kohortenplattformen mit unterschiedlichem Detailgrad Daten von Personen, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben. Dazu zählen die Sektorenübergreifende Plattform SÜP und die Populationsbasierte Kohorte POP. Damit sollen repräsentative, evidenzbasierte Informationen zu pandemiespezifischen Risikofaktoren, Krankheitsverläufen und -folgen generiert werden. Die FOSA kommentiert mit Unterstützung von MethodCOV die Kerndatensätze von SÜP und POP hinsichtlich ihrer methodischen Validität und Passgenauigkeit mit anderen Kohortenstudien.

Kompetenznetz Public Health COVID-19

Das Kompetenznetz stellt schnell und interdisziplinär Expertise zu COVID-19 bereit. In 15 Arbeitsgruppen werden thematisch relevante Aspekte zur Pandemie beleuchtet und zusammengefasst. Primär richten sich die Informationen an Behörden, Institutionen und politische Entscheidungsträger.

Aktuelle Themen, mit denen sich das Kompetenznetz Public Health COVID-19 beschäftigt, sind u. a. die Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus, Aspekte des Home Office und die Evidenz von Gesichtsmasken. Die aktuellen Beiträge werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Die AGs „Ethik“, „Gesundheitskompetenz“ und „Risikokommunikation und –wahrnehmung“ haben interessante Beiträge zur aktuellen Impfdebatte verfasst.

Aus der AG „Gesundheit und Arbeit“ kommt die Handreichung „Soziale Isolation im Home Office“. Diese befasst sich mit dem Thema einer gesunden Gestaltung von Arbeit im Homeoffice bezüglich verstärkter sozialer Isolation im Kontext der COVID-19-Pandemie. Als Ressource der Beschäftigten dient z.B. die soziale Unterstützung und regelmäßige Kommunikation im Team über möglichst angereicherte Medien (Telefon, Videotelefon anstatt via E-Mail). Der Beitrag  „Gesundheitsfördernde Führung von Teams im Homeoffice“ zeigt auf, dass die Gesundheit von Beschäftigten nicht nur von der Gestaltung des Arbeitsumfelds abhängt, sondern auch vom  (Gesundheits-)Verhalten der Führungskräfte aufgrund ihrer  Vorbildfunktion.

Seit Kurzem herrscht in Einkaufsgeschäften und im öffentlichen Nahverkehr die Pflicht einer FFP2-Maske oder einer medizinischen OP-Maske. Die AGWirksamkeit und Nebenwirkungen von Nicht-Pharmakologischen Interventionen (NPI)“ hat in diesem Zusammenhang die Evidenz zum Tragen von Masken erneut aufbereitet. Im Policy Brief „Gesichtsmasken zum Schutz vor Ansteckung bzw. Übertragung von SARS-CoV-2“ merken sie an, dass, basierend auf aktuellen Studienergebnissen, der Nutzen des Tragens von Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit begrenzt und die Größe des Effekts weiterhin mit Unsicherheit behaftet ist. Die AHA-L Regeln müssen weiterhin befolgt werden und eine Maskenpflicht darf nicht als Anlass oder Begründung dienen andere Maßnahmen zu lockern.

Die Corona-Pandemie dominiert die Welt und die Forschung. Das darf jedoch nicht dazu führen, diejenigen zu vergessen, die nicht an Covid-19 erkrankt sind, sondern von einer chronischen Erkrankung betroffen sind. Die AG „Anforderungen an das deutsche Gesundheitssystem“ hat sich im Hintergrundpapier „Die Versorgungssituation von Nicht-COVID-19-Erkrankten in Zeiten von Corona“ diesem Thema gewidmet. Exemplarisch wird die Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus vorgestellt, die zusätzlich auch noch einen Pflegebedarf aufweisen. 

Unter Beteiligung mehrerer Fachgesellschaften aus dem Kompetenznetz Public Health Covid-19 ist am 08. Februar 2021 die S3-Leitlinie „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen – Lebende Leitlinie“ veröffentlicht worden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat dazu eine Pressekonferenz mit Bundesministerin Karliczek und den Entwicklerinnen und Entwicklern der S3-Leitlinie gegeben. Die Pressemitteilung ist auf der Seite des BMBF veröffentlicht und eine Kurzversion der S3-Leitlinie ist hier zu finden.

Für weitere Informationen: Jennifer Frense (jennifer.frense@med.ovgu.de).

Weitere interessante Beiträge und Links

Literatur

  1. Wachtler B, Michalski N, Nowossadeck E, Diercke M, Wahrendorf M, Santos-Hövener C, et al. Sozioökonomische Ungleichheit im Infektionsrisiko mit SARS-CoV-2 – Erste Ergebnisse einer Analyse der Meldedaten für Deutschland. 2020;S7:19–31.
  2. Wachtler B, Michalski N, Nowossadeck E, Diercke M, Wahrendorf M, Santos-Hövener C, et al. Sozioökonomische Ungleichheit und COVID-19 – Eine Übersicht über den internationalen Forschungsstand. 2020;S7:3–18.
  3. Wahrendorf M, Rupprecht CJ, Dortmann O, Scheider M, Dragano N. Erhöhtes Risiko eines COVID-19-bedingten Krankenhausaufenthaltes für Arbeitslose: Eine Analyse von Krankenkassendaten von 1,28 Mio. Versicherten in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. 2021.
  4. Adams JG, Walls RM. Supporting the Health Care Workforce During the COVID-19 Global Epidemic. Jama. 2020;323(15):1439-40.
  5. Ogen Y. Assessing nitrogen dioxide (NO2) levels as a contributing factor to coronavirus (COVID-19) fatality. Science of The Total Environment. 2020;726:138605.
  6. Wu X, Nethery RC, Sabath BM, Braun D, Dominici F. Exposure to air pollution and COVID-19 mortality in the United States: A nationwide cross-sectional study. medRxiv : the preprint server for health sciences. 2020.
  7. Santabárbara J, Lasheras I, Lipnicki DM, Bueno-Notivol J, Pérez-Moreno M, López-Antón R, et al. Prevalence of anxiety in the COVID-19 pandemic: An updated meta-analysis of community-based studies. Progress in Neuro-Psychopharmacology and Biological Psychiatry. 2021;109:110207.
  8. Salari N, Hosseinian-Far A, Jalali R, Vaisi-Raygani A, Rasoulpoor S, Mohammadi M, et al. Prevalence of stress, anxiety, depression among the general population during the COVID-19 pandemic: a systematic review and meta-analysis. Globalization and health. 2020;16(1):57.
  9. Xiong J, Lipsitz O, Nasri F, Lui LMW, Gill H, Phan L, et al. Impact of COVID-19 pandemic on mental health in the general population: A systematic review. Journal of affective disorders. 2020;277:55-64.
  10. Dubey S, Biswas P, Ghosh R, Chatterjee S, Dubey MJ, Chatterjee S, et al. Psychosocial impact of COVID-19. Diabetes & metabolic syndrome. 2020;14(5):779-88.
  11. Smith L, Jacob L, Yakkundi A, McDermott D, Armstrong NC, Barnett Y, et al. Correlates of symptoms of anxiety and depression and mental wellbeing associated with COVID-19: a cross-sectional study of UK-based respondents. Psychiatry research. 2020;291:113138.
  12. Vindegaard N, Benros ME. COVID-19 pandemic and mental health consequences: Systematic review of the current evidence. Brain Behav Immun. 2020;89:531-42.
  13. Huang Y, Zhao N. Generalized anxiety disorder, depressive symptoms and sleep quality during COVID-19 outbreak in China: a web-based cross-sectional survey. Psychiatry research. 2020;288:112954.
  14. Hawryluck L, Gold WL, Robinson S, Pogorski S, Galea S, Styra R. SARS control and psychological effects of quarantine, Toronto, Canada. Emerging infectious diseases. 2004;10(7):1206-12.
  15. Messer M, Starke D, Wagner P, Bader B, Bierbaum T, Fischer T, et al. Die Versorgungssituation von Nicht-COVID-19-Erkrankten in Zeiten von Corona2020.
  16. Knorr-Cetina K. Epistemic cultures: how the sciences make knowledge. Cambridge: Cambridge, Mass.: Harvard Univ. Press; 1999.